Equines Herpesvirus

Rechtlich nicht bindende Empfehlungen der Vetsuisse-Fakultäten Bern und Zürich, Schweizerische Vereinigung für Pferdemedizin (SVPM), Schweizerischer Verband für Pferdesport (SVPS), Schweizer Pferderennsportverband (SPV) und Equinella (Melde- und Informationsplattform für die Früherkennung von Pferdekrankheiten)

ALLGEMEINES ÜBER DIE INFEKTION

  • Diese Informationen beziehen sich auf ansteckende Erkrankungen, die durch Equine Herpesviren Typ 1 (EHV-1) und Typ 4 (EHV-4) verursacht werden. Andere Herpesvirustypen (EHV-2, EHV-3, EHV-5) sind klinisch weniger relevant, verursachen andere klinische Symptome und werden hier nicht behandelt.
  • Infektionen mit EHV-1 können zu schwerwiegenderer Symptomatik führen als EHV-4. Fast alle jungen Pferde durchlaufen i.d.R. in den ersten 6 Lebensmonaten eine EHV Erstinfektion, welche im Körper ohne klinische Symptome (latent) persistieren kann. Dabei zieht sich das Virus in Nervenzellen zurück und kann dort unbemerkt über Jahre bestehen bleiben. In Stresssituationen kann das Virus reaktiviert werden und über Sekrete der Atemwege via Nase und Maul ausgeschieden werden. Betroffene Pferde zeigen oft nur sehr milde Symptome und sind schwierig zu erkennen. Latente EVH-Infektionen sind in der Pferdepopulation weit verbreitet und können nicht vermieden werden.

ÜBERTRAGUNG

  • Direkt durch Kontakt zwischen Pferden
  • oder indirekt via verunreinigte Futtergeschirre, Tränke-Eimer, seltener Kleidung, Hände usw.
  • Der Erreger kann in der Umwelt unter idealen Bedingungen bis zu 4 Wochen überleben, normalerweise jedoch maximal ca. 7 Tage.
  • Inkubationszeit (=Ansteckung bis Krankheitsausbruch): 6 - 10 Tage.
  • Die Erregerausscheidung erfolgt über die Sekrete der Maul- und Nasenschleimhaut bzw. durch die Fruchthüllen bei Abort; sie beginnt erst nach Auftreten der ersten klinischen Symptome.
  • Es gibt keine Immunität (Schutz) nach einer durchgemachten Infektion. Ein Herpes-Ausbruch ist daher immer wieder möglich und kann jedes Pferd immer wieder treffen.
  • Eine Eliminierung der Krankheit in der Pferdepopulation ist nicht möglich.
  • Die Verschleppung der Krankheit zwischen Ställen soll möglichst vermieden werden. Den Anweisungen des Bestandes-Tierarztes ist unbedingt Folge zu leisten.

SYMPTOME

  • EHV verursacht eine Infektion der oberen Atemwege: Atemwegserkrankung (EH V-1 und EH V- 4) -> Symptome:
    • Fieber (bis 41°C)
    • reduzierter Allgemeinzustand
    • Appetitlosigkeit
    • Schluckbeschwerden
    • Augenausfluss und Nasenausfluss
    • Husten.
  • In der Regel kommt es zu einer raschen Selbstheilung. In einigen Fällen kommt es nach dem Befall der Atemwege zu einer Ausbreitung des Virus durch die Blutbahn im Körper und zu weiteren Verlaufsformen: Abort (meist EHV-1, sehr selten EHV-4) -> Symptome:
    • Fieber
    • Abort im letzten Trächtigkeitsdrittel (7.-11. Monat), kann seuchenhaft in einem Zuchtbetrieb auftreten und über 50% der Stuten betreffen
    • Geburt eines lebensschwachen Fohlens (meist EHV-1, sehr selten EHV-4)
      • Symptome: Fohlen verstirbt in der Regel innerhalb von 48hNeurologische Form -> Equine Herpesvirus Myeloenzephalopathie (meistens EHV-1)
        • Symptome: Aufgrund einer Schädigung des Hirns und Rückenmarks kommt es zu Fieber, schwankendem Gang, Störung der Bewegungskoordination

VORGEHEN BEI VERDACHT ODER BESTÄTIGUNG AUF EINE HERPESINFEKTION

Bei Herpesvirusinfektionen bestehen keine behördliche Meldepflicht und keine rechtliche Grundlage, Ställe zu sperren oder diagnostische Massnahmen anzuordnen. Auslandreisen von Pferden aus einem Betrieb mit einer akuten infektiösen Krankheit (nicht nur Herpes) sind nicht möglich, da der Amtstierarzt kein positives Gesundheitszeugnis ausstellen darf. National kann ein Pferdehalter zu nichts verpflichtet werden. Es ist für jeden Pferdebesitzer und Stallbesitzer jedoch von Vorteil, sich an die Empfehlungen des Bestandestierarztes zu halten, um eine Verschleppung der Krankheit zu vermeiden.

  • Bei klarem Verdacht auf eine Herpesvirusinfektion sollten die betroffenen Pferde von anderen gesunden Pferden isoliert werden
    • es sollten keine Pferde den Stall verlassen oder neu in den Stall aufgenommen werden, bis die Diagnose durch den Tierarzt bestätigt oder ausgeschlossen wurde
  • Fieber ist oft das erste Anzeichen einer Infektion. Bei verdächtigen Pferden sollte daher 2x täglich die rektale Körpertemperatur gemessen werden (Normal: 37.5-38.2°C)
  • Der gesamte betroffene Stall wird mit Hilfe des Bestandestierarztes unter Quarantäne gestellt und alle involvierten Personen (Pfleger, Besitzer, usw.) werden durch den Tierarzt informiert.
  • Jeglichen Pferdeverkehr zu und vom betroffenen Betrieb unterbinden (keine Neueinstallungen, Wegtransport, externen Trainings, Turniere, etc.)
  • Pferdesportveranstaltungen (Training, Turnier etc.) sollten bis zum Ende eines Ausbruchs nicht auf dem Betrieb stattfinden.
  • Kranke Pferde dürfen nicht geritten werden. Bei einem Ausritt mit gesunden Pferden sollte ein Mindestabstand von 50 m zu Pferden aus anderen Betrieben eingehalten werden. Pferde während des Ausritts am Weg nicht grasen oder tränken.
  • Personenverkehr (Hufschmied, Therapeuten, externe Reiter, Besucher, etc.) reduzieren.
  • Alle Gegenstände (Transporter, Boxe, Eimer, Trense, etc.), mit denen die betroffenen Pferde in Berührung gekommen sind, reinigen und desinfizieren. Kleider inkl. Schuhe, die auf dem betroffenen Betrieb getragen werden, waschen bevor ein anderer Pferdebetrieb besucht wird. Die Hände beim Verlassen des Betriebs gründlich waschen und desinfizieren. Geeignete Desinfektionsmittel können über den Bestandestierarzt bezogen werden.
  • Um eine Verbreitung zu vermeiden und die damit verbundene Quarantäne des Stalls möglichst schnell zu beenden, sind folgende Massnahmen zu ergreifen:
    • Betroffene Pferde absondern- Hygieneregeln konsequent einhalten- Gemeinsames, transparentes Vorgehen aller Betroffenen (versch. Besitzer, versch. Tierärzte)
    • Offene Kommunikation, auch gegen aussen - inklusive Meldung an das «Equinella» Meldesystem für infektiöse Pferdekrankheiten (equinella.ch)
  • Pferde können auch nach Abheilung der klinischen Symptome immer noch Träger und Ausscheider des Virus bleiben und über längere Zeit eine Gefahr für andere Pferde darstellen. Der Bestandestierarzt wird die Aufhebung der Quarantäne aufgrund bestimmter Untersuchungen oder nach einer gewissen Zeit festlegen.

BEHANDLUNG VON ERKRANKTEN TIEREN

  • Pferde nach tierärztlichen Anweisungen individuell behandeln (entzündungshemmende und fiebersenkende Medikamente; evtl. Antibiotika).
  • Pferde mit neurologischen Symptomen brauchen eine intensive Therapie (Klinik).
  • Fütterung und Tränke: Futtermenge der reduzierten Bewegung anpassen. Mash und nasses Heu oder Gras vorteilhaft wegen der häufigen Schluckbeschwerden. Separate Tränke- und Futtereimer

VERLAUF UND PROGNOSE

  • Die Prognose bei einer reinen Atemwegserkrankung ist gut und die Heilung meist komplikationslos.
  • Trächtigkeit: Nach erfolgter Infektion kann der Abort nicht verhindert werden. Die Stute kann in der nächsten Saison ohne erhöhtes Risiko für Komplikationen für die Trächtigkeit wieder belegt werden. Eine erneute EHV Infektion kann jedoch wieder zum Abort führen (eine durchgemachte Infektion schützt nicht).
  • Lebensschwache Fohlen können in der Regel nicht erfolgreich therapiert werden und versterben nach ca. 24-48h.
  • Verlauf und Prognose der neurologischen Form sind abhängig vom Schweregrad der Symptome. Pferde können wieder vollständig genesen oder können bleibende neurologische Schäden entwickeln. Die Prognose bei Festliegen >48h ist schlecht. Selten müssen betroffene Pferde aufgrund der Schwere der Symptome euthanasiert werden.
  • Nach durchgemachter Herpesvirusinfektion sind die Pferde durch Antikörper individuell und unterschiedlich lange geschützt (nicht lebenslänglich).

PROPHYLAXE / IMPFUNG

  • Grundimmunisierung (= 2 Impfungen im Abstand von 3 bis 8 Wochen) und Wiederholungsimpfung alle 6 Monate
  • Zurzeit ist sowohl nach Impfung - wie nach natürlicher Infektion - keine vollständige, langwirkende (>6 Monate) Immunität zu erwarten.
  • Es können immer neue Infekte oder eine Reaktivierung latenter Infektionen vorkommen. Herpesviren sind dementsprechend auch in vollständig und regelmässig geimpften Gruppen zirkulierend.
  • Durch eine Impfung kann der Infektionsdruck in der Herde gesenkt werden (geimpfte Pferde scheiden weniger Virus aus, das Risiko von Ausbrüchen mit Komplikationen wie Aborten oder neurologischen Fällen ist niedriger).
  • Die Impfung gegen EHV wird momentan in der Schweiz nicht flächendeckend durchgeführt.
  • In Zuchtbetrieben und gefährdeten Betrieben (mit vielen Turnierpferden, Neuzugängen) sollte aber wenn immer möglich der gesamte Bestand durchgeimpft werden, um eine gewisse Herdenimmunität zu erreichen.

 

  • Impfung zur Vermeidung von Abort:
    • Aufgrund der kurzlebigen Immunität wird die Impfung für Zuchtstuten im 5., 7. und 9. Trächtigkeitsmonat empfohlen.
    • Eine Impfung kann einen Abort jedoch nicht mit Sicherheit verhindern.
  • Impfung zur Vermeidung der neurologischen Form:
    • Auch die neurologische Form kann mit einer Impfung nicht vollständig verhindert werden, eine gute Herdenimmunität mit verminderter Virusausscheidung und -verbreitung bietet höchstwahrscheinlich auch gegen EHM-Ausbrüche einen gewissen Schutz.
  • Die Impfung während einer aktiven Infektion oder die Impfung von Kontakttieren bei einem Ausbruch ist nicht ratsam. Ihr Tierarzt kann Sie bezüglich Impfung Ihres Pferdes bzw. der Pferde in Ihrem Bestand beraten.
  • Management:
    • Trennung der Pferde aufgrund ihrer Nutzungsgruppen (Zucht- versus Reitpferd).
    • Quarantänebereich für Neueinstallungen (3 Wochen isoliert) und erkrankte Tiere.
    • Ist der Zuchtbetrieb gleichzeitig der Aufzuchtbetrieb, sollten die trächtigen Stuten keinen Kontakt zu den 2-4-jährigen Pferden haben.
    • Neuankömmlinge sollten am Ende der Quarantäne und bei gutem Gesundheitszustand geimpft werden (Booster oder neue Grundimmunisierung).
    • In gefährdeten Beständen wie z.B. Zuchtbetrieben (d.h. alle Betriebe, in denen ein Fohlen erwartet wird), Einstellbetriebe mit häufigen Zu- und Abgängen, und Betrieben mit Pferden die häufig an Turnieren teilnehmen, sollten alle Tiere grundimmunisiert und mindestens alle 6 Monate nachgeimpft werden.

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